Solarstrom vom eigenen Dach für Mehrparteienhäuser

Die Zeiten, in denen nur Eigenheimbesitzer vom selbst erzeugten Solarstrom auf dem Dach profitieren können, sind vorbei. Prosumergy macht dies nun auch für private und gewerbliche Mieter und Vermieter von Mehrparteienimmobilien möglich.

GRÜNE STARTUPS: Herr Netter, stellen Sie doch bitte Ihr grünes Startup „Prosumergy“ einmal vor.

DANIEL NETTER: Prosumergy ermöglicht Bewohnern von Mehrparteienhäusern, Solarstrom vom hauseigenen Dach zu beziehen und dabei Geld zu sparen. Mit unserem innovativen Geschäftsmodell ermöglichen wir Mietern und Vermietern die Vorzüge des Solarstrom-Eigenverbrauchs zu nutzen, die bislang nur Eigenheimbesitzern und Gewerbebetrieben offenstanden. prosumergy fungiert dabei als Entwickler und Betreiber von Solarstrom-Projekten. Das heißt, wir planen eigenverbrauchsoptimierte PV-Anlagen, lassen diese von einem Fachbetrieb aus unserem Partnernetzwerk installieren und verkaufen den erzeugten Solarstrom, zusammen mit zugekauften Netzstrom, an die Parteien im Gebäude, wobei die freie Stromanbieterwahl gewahrt bleibt. Damit sind wir deutschlandweit der erste vollwertige Projektentwickler und Gebäude-Stromanbieter, der eine solarbasierte Stromversorgung für Mehrparteienimmobilien (MPISs)bereits ab 6 Wohneinheiten aus einer Hand anbietet (One-Stop-Shop).

GS: Welches „grüne“ Problem lösen Sie und welche Vision steckt hinter Ihrem Konzept?

DN: Bislang ist die Nutzung von Solarstrom vom eigenen Dach in Deutschland Eigenheimbesitzern oder Gewerbebetrieben vorbehalten. Die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile dieser Eigenversorgung bleiben privaten und gewerblichen Mietern und Vermietern von Mehrparteienimmobilien (MPI) hingegen bislang verwehrt. Denn nicht nur das aus dem Bereich der energetischen Gebäudesanierung bekannte „Mieter-Vermieter-Dilemma“ verhindert bisher die Nutzung von Solarstrom in MPIs, sondern insbesondere die hochkomplexe energie- wirtschaftliche Abwicklung. So wird ein Vermieter, der seine Mieter mit Strom versorgt, automatisch zum Energieversorgungsunternehmen, welches der Regulierung durch Bundesnetzagentur und andere Behörden unterliegt und umfangreiche Datenerfassungs-, Melde- und Transparenzpflichten zu erfüllen hat. Gleichzeitig haben Mieter keine Möglichkeit, die Dachfläche des von ihnen bewohnten bzw. genutzten Gebäudes zur Solarstromerzeugung zu nutzen und die Eigenversorgung eigenständig zu realisieren. Gleichzeitig können Mieter „ihr“ Dach, welches ihnen aber nicht gehört, nicht einfach selbst eine Solaranlage installieren lassen und für die Stromversorgung der Bewohner nutzen.
Diese Probleme, die bislang eine erfolgreiche Umsetzung von sog. Mieterstrom-Projekten verhindern, löst prosumergy. Dabei agieren wir vergleichbar einem Generalunternehmer, der alle erforderlichen Aufgaben und Prozesse koordiniert und effizient abwickelt. Damit bleibt unseren Kunden – sowohl den investierenden Gebäudeeigentümern als auch unseren Stromkunden – nennenswerter Mehraufwand erspart. Dies ist entscheidend, da die Komplexität eines Mieterstrom-Projekts die Umsetzung für den einzelnen Vermieter im Normalfall nahezu unmöglich macht. Vermieter können somit aus ihren vorher ungenutzten Dachflächen Kapital schlagen und ihren Mietern den Bezug von Solarstrom ermöglichen. Dabei sparen die Mieter bereits im Jahr der Inbetriebnahme bis zu 10% der durchschnittlichen bisherigen Stromkosten ein.
Mit unserer Idee wollen wir die regenerative Energieerzeugung an den Ort des Verbrauchs bringen und damit erstmals auch Mieter aktiv an der Energiewende beteiligen. Aus passiven Stromkonsumenten sollen aktive Prosumer werden! Zudem wollen wir die solare Energiegewinnung unabhängig von staatlichen Fördermechanismen wie dem EEG machen, indem wir den Strom nicht mehr vorrangig ins öffentliche Stromnetz einspeisen, sondern vor Ort an die Mieter liefern.

GS: Wie geht es Ihrer Branche aktuell?

DN: Der Markt für PV-Mieterstrommodelle hat sich erst in den letzten anderthalb Jahren entwickelt. Bislang dominieren einige wenige Leuchtturmprojekte, die nicht auf einen überregionalen Rollout ausgelegt sind und/oder ausschließlich Gebäude großer Wohnungsgesellschaften in den Blick nehmen. Mittlerweile hat jedoch erfreulicherweise auch die Politik das enorme Potential von Mieterstrom erkannt. Beispielsweise fördert das Land Hessen die Umstellung von Wohngebäuden auf eine hauseigene Stromversorgung mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien im Rahmen des Pilotvorhabens ‘Mieterstrommodelle’. Ähnliche Förderprogramme werden derzeit von den Regierungen in Thüringen und Baden-Württemberg entwickelt. Einen weiteren Schub erwartet die Branche, insofern die Verordnungsermächtigung (§95 des EEG 2017) zu Mieterstrommodellen von der Bundesregierung in eine Rechtsverordnung gegossen wird. Gemäß der Verordnungsermächtigung im EEG 2017 müssen Betreiber von PV-Anlagen auf Mietwohngebäuden lediglich eine reduzierte EEG-Umlage für den Vor-Ort-verbrauchten Strom abführen. Aktuell muss der Anlagenbetreiber in Mieterstromprojekten die volle EEG-Umlage an den Übertragungsnetzbetreiber entrichten. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich in naher Zukunft weitere Dienstleister oder Energieversorger als Mieterstromanbieter auf dem Markt platzieren werden. Möglicherweise entwickelt sich das Mieterstromkonzept zur neuen Einspeisevergütung.

GS: Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?

DN: Als One-Stop-Shop wickeln wir von der Anlagenplanung bis zur Stromlieferung alle Prozesse für unsere Kunden ab. Unsere Einnahmen speisen sich dabei aus verschiedenen Quellen. prosumergy verdient einerseits an der Projektierung von Mieterstrom. Durch den Verkauf des Stroms an die Mieter erhalten wir außerdem, wie andere Stromanbieter, monatliche Abschläge für Grund- und Arbeitspreis. Einen Teil dieser Einnahmen aus dem Stromverkauf führen wir wiederum an den Anlagen-Investor ab.

GS: Was waren und was sind die größten Herausforderungen für Ihre Unternehmung auf dem bisherigen Weg?

DN: Als Start-up erschweren zunächst v.a. die fehlenden Referenzen und die damit verbundenen Risikobetrachtungen potentieller Kunden den Markteintritt. Gleichzeitig besteht die grundsätzliche Schwierigkeit, dass man als Start-up über begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen verfügt, womit die Möglichkeiten im Vertrieb oder im Marketing eingeschränkt sind. Hinsichtlich unseres Geschäftsmodells erfordert die Komplexität und Neuartigkeit eine besondere Werbe- und Akquisestrategie. Die anhaltende negative Berichterstattung zum Thema Energiewende erschwert zusätzlich die Akquisetätigkeiten, da häufig ein völlig falscher Informationsstand bei den Kunden herrscht. Häufig ist interessierten Kunden nicht bekannt, dass die Kosten der Solarenergie bereits heute deutlich unterhalb der Netzstrompreise liegen und damit die Nutzung von Solarstrom zur Deckung des Strombedarfs nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch äußerst sinnvoll ist.
6. Wie ist Ihr Gründerteam aufgestellt? Welche fachlichen und sozialen Kompetenzen waren für den bisherigen Erfolg ausschlaggebend?
Das Gründungsteam setzt sich aus Christopher Neumann, Daniel Netter und Lena Cielejewski zusammen. Herr Neumann ist seit September 2014 Absolvent des Masterprogramms „Nachhaltiges Wirtschaften“. Schwerpunktmäßig hat Herr Neumann sich in seinem Studium mit der Energiewirtschaft befasst. In seiner Abschlussarbeit analysierte er die Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für die Vor-Ort-Nutzung von Solarstrom in MPIs. Aktuell ist er neben seiner Tätigkeit für prosumergy als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut dezentrale Energietechnologien beschäftigt und hat in dieser Funktion unmittelbar mit Geschäftsmodellen zur erzeugungsnahen Vermarktung erneuerbarer Energien zu tun. Innerhalb des Gründer-Teams liegt der Fokus von Herrn Neumann im Bereich Energierecht und kaufmännische Anlagenplanung. Lena Cielejewski ist Absolventin des BA Kulturwirt mit den Fachwissenschaften Wirtschaftswissenschaften und Anglistik an der Universität Duisburg-Essen. Aktuell schließt sie ihr Masterstudium M.A. Global Political Economy mit einer Abschlussarbeit zum Thema „regionale Vermarktung von Grünstrom“ ab. Durch diverse Praktika und nebenberuflichen Tätigkeiten verfügt sie über praktische Erfahrung in den Bereichen Marketing, Finanzen/Controlling und Kundenbetreuung. Im Gründerteam verantwortet sie hauptsächlich die Bereiche Marketing und PR. Herr Netter ist Absolvent des Masterstudiengangs „Regenerative Energien und Energieeffizienz“. Um Praxiserfahrung zu sammeln, absolvierte er ein fünfmonatiges Auslandspraktikum in Chile bei einem PV-Systemlieferanten. Sein technisches Know-how hat er inzwischen durch Schulungen in den Bereichen Messkonzepte und Anlagenfernüberwachung erweitert. In seiner Masterarbeit befasste sich Herr Netter mit der technischen und wirt-

GS: Suchen Sie aktuell Mitarbeiter und wenn ja, welche Qualitäten sollten diese mitbringen?

DN: Bisher hatten wir Unterstützung von Freelancern. Wir werden allerdings zeitnah die ersten Mitarbeiter beschäftigen und wollen demnächst auch Erfahrungen mit Werkstudenten oder. Praktikanten sammeln.

GS: Wo soll die Reise für Ihr Startup in den nächsten 3 Jahren hingehen?

DN: In den nächsten 3-5 Jahren wollen wir uns zu einem der größten Mieterstrom-Anbieter Deutschlands entwickeln und so die dezentrale Energiewende voranbringen. Dabei ist es unser Ziel, ein standardisiertes Produkt zu entwickeln, welches mit geringem Anpassungsaufwand in nahezu allen Mehrparteienimmobilien und unter nahezu jeder denkbaren Eigentümer-Nutzer-Konstellation Anwendung finden kann. Parallel dazu wollen wir zukunftsträchtige Technologien wie Batteriespeicher, Smart Meter und Elektrofahrzeuge in unseren Projekten einsetzen, die einen echten Mehrwert für unsere Kunden – höhere Renditen für Investoren, stabilere/geringere Strompreise für Verbraucher – bieten. Zugleich sollen diese Technologien netzdienlich eingesetzt werden, sodass sie einen zusätzlichen Mehrwert im Strommarktdesign der Zukunft schaffen.

GS: Zum Abschluss: Welchen Tipp möchten Sie zukünftigen Gründern mit auf den Weg geben?

DN: Neben der guten Idee basiert jede erfolgreiche Gründung aus meiner Sicht auf der Qualität des Teams. Die Arbeitsatmosphäre und das Vertrauen zwischen den Teammitgliedern sind entscheidend, um auch Rückschläge zu überstehen und um die Geschäftsidee effizient voranzutreiben. Zudem zeigt meine bisherige Erfahrung, dass man frühzeitig mit dem Produkt auf potentielle Kunden zugehen sollte, um festzustellen, ob die Idee tatsächlich gut ist und ob der Kunde einen Bedarf in dieser Richtung hat. Das Feedback potentieller Kunden ist natürlich der wertvollste Ratgeber, um sein Produkt weiterzuentwickeln.

Vielen Dank

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