© Bridge&Tunnel

Bridge&Tunnel – Stylische Denim-Looks aus recycelten Jeans

 INTERVIEW | Die Gründerinnen des nachhaltigen und fairen Designlabels Bridge&Tunnel stellen mit ihrem lokalen Team Designunikate her – Taschen, Interior Produkte und Fashion Pieces, die allesamt aus Denim post- und preconsumer waste gefertigt werden.

10.09.2018 – Das Interview führte Maike Merrem

Grüne-Startups.de: Nachhaltige und fair produzierte Mode ist zusammengefasst das Motto von Bridge&Tunnel, doch das Modelabel steht nicht nur für faire Bekleidung, sondern auch für einen fairen Arbeitsplatz. Wer ist Teil des Bridge&Tunnel-Teams?

Bridge&Tunnel: Hinter Bridge&Tunnel stecken wir, Hanna Charlotte Erhorn und Constanze Klotz. In unserem Produktionsteam arbeiten aktuell 5 Menschen. Unsere Näherinnen und Näher stammen aus insgesamt 5 Ländern und haben verschiedene Handicaps, die es ihnen schwer machen, auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Alle verbindet aber, dass sie granatenmäßig nähen können – und das unabhängig von Diploma oder Zeugnissen. Zum Team gehören eine russischstämmige gehörlose Näherin, ein afghanischer Herrenschneider, zwei Frauen mit indischem und kurdischen Hintergrund, die schon viele Jahre in Deutschland leben, aber durch Kinderbetreuung, fehlende Ausbildung und mittelmäßige Sprachkenntnisse keinen Job finden konnten sowie eine Bekleidungstechnikerin mit türkischen Wurzeln, die das Team anleitet.

© Luzia Pimpinella

Die Rekruitierung unserer Mitarbeiter und Praktikanten läuft sehr viel über Multiplikatoren. Sobald z.B. ein Praktikumsplatz wieder frei ist, streuen wir die Info über Sprachschulen, Vereine etc. Für unsere festangestellten Mitarbeiten haben wir zudem eine enge Kooperation mit dem Jobcenter, die uns ebenfalls geeignete Kandidaten zusenden. Interessierte laden wir dann zu einem Probenähtermin ein, um zu schauen, wie es um die Qualifikation und auch die Sprachkenntnisse steht. Für uns haben Zeugnisse wenig Relevanz, uns interessiert das tatsächliche Können an der Nähmaschine.

Bridge&Tunnel ist als Startup gestartet. Konntet ihr schnell Investoren für euer Projekt gewinnen?

Uns ist es tatsächlich gelungen, eine Viertel Million Anschubfinanzierung einzuwerben – allerdings ohne Anteile abzugeben. Zu unseren Unterstützern gehört das Industrieunternehmen Aurubis AG, weltweit der größte Recycler von Kupfer und auch auf der Elbinsel zuhause wie wir, mit denen wir eng zum Thema Kreislaufwirtschaft zusammenarbeiten. Zusätzlich haben wir einen Privatinvestor finden können, der uns über Spenden und einen Darlehensvertrag unterstützt. Es hat circa ein dreiviertel Jahr gedauert, bis alles unterschriftsreif war.

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Wie integriert ihr euer Verständnis von Nachhaltigkeit sowohl in den Produkten als auch im Unternehmen selbst?

Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA. Das ist für uns nichts Aufgesetztes, sondern etwas, das den Gründungsgedanken von Bridge&Tunnel maßgeblich bestimmt hat. Wir wollten ein Designlabel gründen, das den Gestaltungsgedanken nicht nur im Produkt, sondern auch in der Arbeits- und Produktionsweise widerspiegelt. Ethik und Ästhetik gehen bei uns Hand in Hand.

Auf der einen Seite trieb uns das Thema einer eigenen, lokalen, fairen Produktion um. Auf der anderen Seite wussten wir aus Kooperationen mit der örtlichen Kleiderkammer, wieviel Denim-Überschüsse es gibt. Und das bei einem Textil (Baumwolle), das ja alles andere als nachhaltig in der Herstellung ist. Deshalb haben wir uns entschlossen, unsere Designs komplett aus Denim post- und pre-consumer waste zu fertigen. Denim ist nämlich nicht nur wahnsinnig vielfältig, sondern auch sehr robust. Nach einigen Experimenten, bei denen wir im Patchwork-Verfahren die unversehrten Teile von used Jeans weiterverarbeitet hatten, war uns schnell klar, dass sich tatsächlich Kollektionsideen aus abgelegten Jeans entwickeln lassen.

Patchwork ist noch immer unser wichtigstes Produktionsverfahren. Alle unsere Designs haben deshalb einen geometrischen, minimalistischen Look, der sich aus dem reduzierten Patchwork speist. Unser Anspruch ist es, dass unsere Produkte das Potenzial zu individuellen Allround-Lieblingsstücken haben. Die Schnitte sind klassisch mit raffinierter Ausführung. Und jedem einzelnen Piece sieht man unsere Freude an Materialität und Farbe an.

© Bridge&Tunnel, Baroquine Photography

Die Konkurrenz schläft nicht. Besonders in der Bekleidungsindustrie boomt die Nachfrage nach nachhaltiger und fairer Mode. Was ist euer Alleinstellungsmerkmal?

Bridge&Tunnel steht für Design Plus. Man erwirbt nicht nur einen wunderschönen Rucksack oder ein Kissen aus unserer Denim Kollektion, sondern trägt gleichzeitig dazu bei, dass unser Anspruch „we design society“ –  Gesellschaft durch Design zu verändern – Realität wird! Eine Besonderheit ist dabei sicherlich unsere eigene Produktion inmitten Hamburgs. Für viele Kunden ist die Textilproduktion so weit weg, dass es definitiv etwas Besonderes ist, das bei uns so hautnah erleben zu können. Viele Kunden kommen auch vorbei und wollen genau sehen, wer ihr Produkt gefertigt hat. Denn auf jedem Produkt unterschreibt auf dem Waschetikett der oder die Näherin, die die letzte Naht gemacht hat.

Eine weitere Besonderheit ist, dass jedes Produkt bei uns ein Unikat ist. Das hängt mit unserer Fertigung aus post- und preconsumer waste zusammen. Kein Rucksack ist wie der andere, jedes Modell wird individuell aus unseren Denim Schätzen komponiert. Das führt zu einer tollen Farbvielfalt innerhalb der einzelnen Produktklassen. Auch customization bieten wir an: Jedes Produkt kann aus den eigenen Lieblingsjeans gefertigt und damit individualisiert werden.

© Lokal-me: Daniel Müller

Woher erhaltet ihr eure Denim-Stoffe?

Um unsere Denim Designs umzusetzen, sind wir auf einen steten Materialfluss angewiesen. Seit unserer Labelgründung beziehen wir aus vielen Quellen Jeans, aktuell aus unterschiedlichen Kleiderkammern und Kleiderspenden, wie zum Beispiel dem tollen Verein Hanseatic Help. Wir verwenden die Jeans, die so kaputt sind, das sie für eine weitere Verwendung nicht mehr infrage kommen und ansonsten beim Verwerter landen. Auch viele Privatpersonen senden uns ihre Jeans zu, das sind mittlerweile mehrere Pakete in der Woche. Oft mit tollen Liebesbriefen inklusive.

Zusätzlich erhalten wir immer häufiger auch pre-consumerwaste. Das sind Produktionsüberschüsse, die durch Verschnitt oder Musterstoffe anfallen, und teilweise 15% von einer Produktion ausmachen.

Kann man die Denim-Looks nur online kaufen?

Wir haben einen sehr gut bestückten Onlineshop. Aber mittlerweile auch 25 Stores deutschlandweit, in denen unsere Designs zu haben sind. Die reichen von München über Köln und Hamburg bis nach Berlin. Eine Übersicht unserer Händler findet man auf unserer Website unter https://bridgeandtunnel.de/haendler/

Wie können Konsumierende ihren Modekonsum nachhaltiger gestalten? Habt ihr Tipps?

Eigentlich ist es gar nicht so schwer. Weniger ist mehr ist das Einfachste, was man tun kann. Also weg von ständig wechselnden Kollektionen mit vermeintlichen It-Pieces hin zu langlebigen, wertigen Lieblingsteilen! Letztlich geht es doch darum, dass wir das einzelne Kleidungsstück wieder mehr wertschätzen. Dazu gehört das Textil, aus dem es verarbeitet ist, aber auch die Arbeitskraft, die dafür investiert wurde. Je mehr man seine Kleidung wertschätzt, desto länger und selbstverständlicher begleitet sie einen. Mode soll aber Spaß machen. Wenn man also mehr Abwechslung mag, sind Konzepte wie Kleidertauschparties oder Leihsysteme, wie sie die Kleiderei anbietet, eine tolle Ergänzung!

© Bridge&Tunnel, Lisa Rothfuss

 

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