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Geld oder Umwelt – wie man die Mehrwertsteuersenkung sinnvoll nutzen kann

Nutzt uns die Mehrwertsteuersenkung im Alltag tatsächlich etwas? Kleine Cent-Beträge machen sich in unserer Tasche kaum bemerkbar, in diesem Projekt können sie jedoch Großes bewirken.

Seit dem 01.07.2020 gilt die Mehrwertsteuersenkung als Maßnahme gegen die Corona-Krise, um den Konsum zu stärken und der Konjunktur einen Schub zu geben. Aber machen sich die paar Cent Beträge als Ersparnisse in unserer Tasche überhaupt bemerkbar? Oder lohnt sie sich nur, bei größeren Anschaffungen? Eine Idee, wie man mit dem Differenzbetrag der Steuersenkung etwas Positives bewirken kann, hat das Startup dabelino, welches die Kampagne „Geld oder Umwelt“ ins Leben gerufen hat. Was das genau bedeutet und wie viele Verbraucher*innen tatsächlich dazu bereit sind, zugunsten der Umwelt auf den kleinen Geldvorteil zu verzichten, erzählt uns Mitgründerin Miriam Frömel-Scheumann im Interview.

Grüne-Startups.de: Miriam, für alle die dabelino nicht kennen, was macht dabelino und wie ist die Idee dazu entstanden?

Bild: Ulrich Schaarschmidt

Miriam Frömel-Scheumann: Dabelino ist ein ökologischer Papeterie- und Buch-Verlag für Produkte wie Geschenkpapier, Grußkarten, Briefpapier oder Eintragebücher für Kinder, den ich zusammen mit meiner Familie gegründet habe. Der Startschuss für unser gemeinsames Unternehmen kam an Weihnachten 2015 als mein Vater am Abendbrottisch den Satz sagte „Du kennst Dich doch mit dem Internet aus…“ – ein echter Feiertagsklassiker. Allerdings brauchte er nicht meine Hilfe, um den Router neu zu installieren, sondern er wollte damit anfragen, ob ich nicht die übrig gebliebenen Weihnachtsartikel aus dem Ladengeschäft meiner Mutter online verkaufen könnte. Schnell wurde uns jedoch klar, dass wir in der Familie alle Kompetenzen für ein eigenes Unternehmen vereinbaren. Meine Mutter hat dank 20-jähriger Selbstständigkeit das kaufmännische Knowhow, ich übernehme mit meinem Medien-Hintergrund den kreativen Part, mein Mann ist IT’ler und mein Vater ist ein vielseitig begabter Handwerker, der überall mit anpackt z.B. wenn mal wieder eine frische Lieferung mit schweren Kisten aus der Druckerei in unserem Lager ankommt. Da ich zum Gründungszeitpunkt mit meinem zweiten Kind in Elternzeit war und es uns ein Herzensanliegen ist, die Welt für unsere (Enkel)Kinder zu bewahren, wollten wir unbedingt eine enkeltaugliche Marke aufbauen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für euch und wie spiegelt sich das bei dabelino wider?

Unsere Vision ist es, die Buch- und Papeterie-Branche „nachhaltig“ zu verändern. Deshalb lassen wir z.B. klimaneutral auf Recyclingpapier oder zertifizierten Naturpapieren drucken und achten auf mineralölfreie Farben. Unsere beliebten Geschwister-Erinnerungsbüchlein sind sogar mit dem „Blauen Engel“-Logo versehen.  Außerdem verzichten wir auf problematische Druckveredelungstechniken wie z.B. glänzende Cellophanierungen und Spotlackierungen, bei denen sich dünne Kunststoffschichten so untrennbar mit dem Papier verbinden, dass ein Recycling unmöglich wird. Auch auf Heißfolienprägungen, die zwar für einen hübschen Gold- oder Silbereffekt sorgen, bei der aber mit Aluminium bedampfte Prägefolien zum Einsatz kommen, verzichten wir. Wir sagen dazu immer „es ist nicht alles Gold, was glänzt“ – diese Einsicht ist leider noch keine Selbstverständlichkeit in unserer Branche.

Bild: dabelino

Ihr habt eine Spendenaktion ins Leben gerufen, durch die Verbraucher die Differenz durch die Mehrwertsteuersenkung spenden können. Wie funktioniert das?

Wir haben die Aktion „Geld oder Umwelt“ getauft, da unsere KundInnen entscheiden können, ob sie die Ersparnis durch die Mehrwertsteuersenkung selbst mittels Rabattcode in unserem Onlineshop unter www.dabelino.de in Anspruch nehmen wollen oder ob Sie die Summe automatisch für eine Baumpflanz-Spende freigeben, wenn sie den Coupon nicht nutzen.

An welches Projekt gehen die Spenden? 

Wir arbeiten seit unserem Crowdfunding für unsere erste cradle-to-cradle zertifizierte Weihnachtskollektion im letzten Jahr mit der NGO Eden Reforestation Projects zusammen, über die auch andere Social Impact Unternehmen wie z.B. die grüne Suchmaschine Ecosia, das Food-Startup the nu company oder die Naturkosmetik-Marke Jungglück Bäume pflanzen lassen. Bisher konnten wir über die Kooperation mit Eden bereits 3.200 neue Bäume pflanzen, welche in tropischen Regionen wie etwa Haiti oder Madagaskar angebaut werden. Denn die Mangroven sind ein besonders effektiver CO2-Speicher, die bis zu fünfmal mehr Kohlendioxid speichern, als andere Bäume. Außerdem wachsen sie aufgrund der klimatischen Bedingungen deutlich schneller im Vergleich zu Bäumen in Europa beispielsweise und binden dadurch im gleichen Wachstumszeitraum mehr CO2.

Bild: Eden Reforestation Projects

Bei der Differenz handelt es sich ja oft um geringe Centbeträge. Kann man damit wirklich schon etwas bewegen?

Das ist ja das Besondere an dieser Aktion, dass hier tatsächlich schon kleine Beträge unter einem Euro einen Unterschied machen. Viele haben gewitzelt, dass sie sich nicht entscheiden könnten, ob sie von der Mehrwertsteuerersparnis einen Porsche in rot oder schwarz kaufen sollen. Aber bei unsere Baumpflanz-Patenschaft ist es so, dass über diese kleinen Summen bereits nicht nur neue Baum-Setzlinge finanziert werden, sondern gleichzeitig auch Arbeitsplätze für die Menschen vor Ort entstehen. Es sind also sowohl ökologische, als auch soziale Aspekte, die hier positiv gefördert werden.

Die Maßnahme gilt ja erst seit dem 01.07.2020. Wie viele eurer Kunden haben bis jetzt den Differenzbetrag durch die Mehrwertsteuersenkung als Spende weitergegeben? Siehst du eine Bereitschaft in der Gesellschaft, auf den monetären Vorteil zu verzichten?

Wir sind total glücklich, dass sich bisher ausnahmslos alle für die Umweltspende entschieden haben. Ich denke, wenn die Menschen die Sinnhaftigkeit hinter so einer Aktion sehen und die Teilnahme keinen großen Aufwand bedeutet, ist die Spendenbereitschaft groß. Wir pflanzen ja unabhängig von der Mehrwertsteuer-Aktion auch allgemein pro Bestellung automatisch ein Bäumchen, da es unsere Philosophie ist, die Leute positiv für den Umweltschutz zu begeistern und sie nicht mit der Umweltsünder-Drohkeule zu einem besseren Verhalten erziehen zu wollen. Unsere Erfahrung ist daher: Je einfacher man es den Leuten macht sich für den Klimaschutz zu engagieren, desto mehr machen mit.

Die Wirtschaft soll wieder angekurbelt werden. Findet ihr, dass die Mehrwertsteuersenkung eine Hilfreiche Maßnahme der Politik darstellt?

Wir sehen das eher kritisch. Auf dem Papier klingt die Maßnahme gut, weil sie theoretisch alle Bürger gleichermaßen entlastet. Allerdings macht sich die Ersparnis so wirklich erst bei größeren Anschaffungen wie bei einem neuen Auto (welches leider nicht zwangsläufig ein Elektro-Auto sein muss) oder teuren Elektrogeräten im Portemonnaie bemerkbar. Wen die Corona-Krise durch Kurzarbeit oder gar Jobverlust besonders hart getroffen hat, wird sich bei solchen großen Ausgaben jedoch zurückhalten oder sich das schlicht nicht leisten können. Da helfen ein paar eingesparte Cent beim Supermarkteinkauf nicht viel weiter. Hinzu kommt, dass die Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung für Unternehmen freiwillig ist. Gerade die Buchbranche hat sich aufgrund der Problematik der Buchpreisbindung und der vorausgepreisten Waren hier nicht mit Ruhm bekleckert. Uns persönlich sind nur eine Handvoll anderer Verlage bekannt, die sich die Ersparnis nicht in die eigene Tasche stecken – und das sind größtenteils ebenfalls kleine, unabhängige Verlage wie wir. Zugegeben, die Neuauspreisung ist in der Tat umständlich; aber zumindest zu spenden wäre eine gute Option gewesen. Wir haben die Preise ja auch nicht angepasst und handhaben es so, dass der Rabattcode im Onlineshop nur auf nicht-preisgebundene Artikel anwendbar ist. Aber es ist egal, ob jemand ein nicht-preisgebundenes Geschenkpapier oder ein preisgebundenes Buch kauft, wenn er sich für die Option „Umwelt“ entscheidet, pflanzen wir in jedem Fall einen neuen Baum. Und wer sich übrigens lieber mit dem kleinen Buchhändler vor Ort solidarisch erklären will, kauft unsere Produkte, die man problemlos per kostenlosem Über-Nacht-Express in jeden Buchladen bestellen kann, im stationären Handel ein und die Mehrwertsteuerdifferenz verbleibt dann bei dem jeweiligen Ladenbesitzer. Wir finden, das ist die perfekte Lösung, bei dem sich jeder heraussuchen kann, ob er sparen, spenden oder den lokalen Handel sponsern will.

Bild: dabelino

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Wir möchten natürlich gerne gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden noch mehr Bäume anpflanzen, weil es eine so einfache und effektive Möglichkeit ist, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Außerdem finden wir es schön, als Unternehmen, welches auf den Rohstoff Holz angewiesen ist, der Natur wieder im gleichen Maße etwas zurückzugeben.

 

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Bilder: dabelino, Ulrich Schaarschmidt, Eden Reforestaion Projects, Unsplash

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