Kreislaufwirtschaft mit Gütesiegel – Der Retourenregister e.V. im Interview

INTERVIEW | Was passiert eigentlich mit unseren Retouren? Der Retourenregister e.V. hat ein Siegel entwickelt, das die Kreislaufwirtschaft greifbarer macht.

Jeder hat bestimmt schon einmal etwas zurückgeschickt. Was mit den Retouren passiert, ist aber den wenigsten bewusst. Retouren müssen oft weggeschmissen werden und sind mit hohem finanziellen Aufwand für die Händler verbunden. Der Retourenregister e.V. will mit dem “Save our Returns” Siegel für mehr Kreislaufwirtschaft sorgen. Yanna Badet erklärt uns im Interview, was das Siegel für Retouren bedeutet und wie es den Kund*innen nutzt.

Grüne Startups: First things first. Was ist und macht der Retourenregister e.V.?

Yanna Badet: Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der im Herbst 2019 von 9 Geschäftsleuten in Oldenburg in Niedersachsen gegründet wurde. Unser Ziel ist die Vermeidung und Verwertung von Retouren durch die Förderung kreislaufwirtschaftlichen Denkens in der Gesellschaft. Drei der Gründungsmitglieder sind seit 6 Jahren Onlinehändler im Büromöbel Bereich. Jeder Artikel der dort verkauft wird ist eine ehemalige Retoure. In dieser Zeit eigneten sich unsere Gründungsmitglieder viel Wissen über Retouren an und wie sie vermieden und besser verwertet werden könnten. Denn Retouren haben ökologische Auswirkungen und sind auf Händlerseite mit hohen Kosten verbunden. Das wollten Sie ändern! Und gründeten den Retourenregister e.V..
Retouren können aus verschiedenen Gründen auftreten. Im Versandhandel kaufen Kunden Artikel, ohne sie gesehen oder angefasst zu haben, von Personen, die sie nicht kennen.
Die Motive für Retouren sind vielfältig. Eine Studie des BEVH zeigt, dass bei 51 % der Retouren die Ware nicht den Kundenerwartungen entsprach, in 24 % der Fälle war die Ware beschädigt, 20 % hatten mehrere Alternativen bestellt und 5 % unterlagen einem Impulskauf durch eine Werbeaktion. Alles Gründe, die nicht zur Warenvernichtung führen müssten, aber trotzdem werden Retouren teilweise einfach verschrottet.
Der Boom des Onlinehandels und die Etablierung des kostenlosen Rückversands führen nach wie vor zu enormen Mengen an Rücksendungen. Welche Konsequenzen die Abwicklung und Organisation von Retouren nach sich zieht, ist vielen Menschen beim Onlinekauf oft gar nicht so bewusst. Denn neben dem finanziellen, sowie administrativen Aufwand für Händler*Innen, verursacht das Verpackungsmaterial, der Retourentransport und die Herstellung Co2 und stellt eine Belastung unserer Ressourcen und der Umwelt dar. Wir wollen als Schnittstelle zwischen Konsument*Innen und Händler*Innen insbesondere die Kommunikation über Retouren verbessern. Wir fördern ein bewusstes Kaufverhalten, einen schonenden Umgang mit unseren Ressourcen und stärken Kreisläufe und Produktverantwortung. Aus der fehlenden Kommunikation die die Idee für das Retourensiegel „Save our Returns“ entstanden. Dieses zeichnet Händler*Innen aus, welche nachweislich Strategien zur Vermeidung von Retouren anwenden und kommunizieren.

Welche Erkenntnisse haben euch dazu motiviert, den Retourenregister e.V. zu gründen?

Das Thema Retouren beschäftigt unsere Vereinsgründer seit 6 Jahren. Die Vertrautheit mit dem Thema und auch das angeeignete Fachwissen, was mit den Mengen zurückgeschickter Ware erreicht werden kann, also der direkte Umgang, das Management und das Potential der B-Ware, waren für uns ausschlaggebend diesen neuen Weg einzuschlagen, weg von linearem Denken und weiter in Richtung Produktverantwortung und Kreislaufwirtschaft. Die Motivation des Vorhabens kommt insbesondere aus der Einsicht, dass Retouren viel mehr sind als nur Negativ-Schlagzeilen der Presse. Das Potential und der Erfolg des eigenen Geschäfts, das Wissen über die Herausforderung, die Retouren für andere Unternehmen darstellt, sowie die zunehmende Dringlichkeit der nachhaltigen Gestaltung unseres stetig wachsenden Onlinehandels, haben zur Gründung des Retourenregister e.V. inspiriert.

Was bringt das Siegel den Käufer*innen und welchen Nutzen ziehen Unternehmen daraus?

Die Käufer*Innen können sich sicher sein, dass gesiegelte Unternehmen Strategien zur Retourenvermeidung anwenden, sich der Retourenthematik bewusst sind und diese vor Allem positiv kommunizieren. Unsere Siegelträger erklären auf ihrer Webseite zum Beispiel, was passiert, wenn Ware retourniert wird, und wie diese wieder in den Kreislauf gebracht wird. Die Entsorgung ist keine Option, es sei denn, ein Produkt kann nicht mehr verwendet oder anderweitig verwertet gespendet werden. Unsere Partnerunternehmen sind sich der Produktverantwortung bewusst und bemühen sich um die Kreislaufwirtschaft.Mit dem Retourensiegel auf ihrer Webseite können Händler ihren Kunden schnell und einfach zeigen, dass sie sich für Kreislaufwirtschaft und Retourenprävention engagieren. Durch sinkende Retourenquoten und ein effizienteres Handling steigern Händler ihre Wertschöpfung und sparen Kosten. Kund:innen auf der anderen Seite werden für die Folgen unnötiger Retouren sensibilisiert und können bei unseren Siegelpartnern mit gutem Gewissen einkaufen und ebenfalls sicher gehen, dass vor dem Kauf alles dafür getan wurde, dass der Kunde bei der Zustellung zufrieden ist und nicht retourniert.

Welche Kriterien muss ein Unternehmen erfüllen, um das Siegel des Retourenregisters zu erhalten?

Die Kriterien sind in Basisanforderungen und Zusatzkriterien aufgeteilt. Voraussetzung für den Siegelerhalt ist die Erfüllung aller drei Basiskriterien und ein bestimmter Anteil an Zusatzanforderungen. Unsere Basiskriterien setzen sich zusammen aus 1. einer Erklärung mit der Absicht Retouren zu vermeiden, inklusive einer unternehmensspezifischen Zielsetzung; 2. der Darlegung, was generell mit Retouren geschieht (z.B. wird wieder verkauft, repariert und als B-Ware verkauft, gespendet, etc.) , sowie 3. der Existenz von Vermeidungsstrategien auf der Unternehmenswebseite. Die transparente Darstellung was mit Retouren geschieht wird auch in der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Obhutspflicht) gefordert. Weitere Kriterien beziehen sich auf Strategien vor und nach dem Kauf. Dazu gehören eine detaillierte Produktbeschreibung, Spendenkonzepte, Verfügbarkeit der Bewertung einzelner Produkte, ein persönlicher Kundenservice, dem Wiederverkauf von B-Ware etc. Mit den Basisanforderungen sichern wir ab, dass sich das Unternehmen öffentlich zur Vermeidung von Retouren bekennt, dies thematisiert und Kunden*Innen beim Shoppen sensibilisiert werden.

Der Retourenregister e.V. setzt auf Kreislaufwirtschaft. Wie denkst du, geht es nach Corona mit diesem Konzept weiter?

Der Onlinehandel hat in den letzten Jahren stark zugenommen, dieser Trend hat sich durch Corona beschleunigt, es wird dem Kunden immer einfacher und unkomplizierter gemacht, und durch die Lockdowns wurde online einzukaufen sogar notwendig. Corona hat das Versandaufkommen enorm gesteigert. 2020 wurden 25% mehr Pakete im Vergleich zum Vorjahr versendet und das Retourenvolumen ist um 14 Mio auf 315 Mio Retouren 2020 gestiegen. Nach Corona wird der Onlinehandel weiter expandieren. Viele Händler sind durch Corona gewissermaßen dazu gezwungen worden, auch Online ihre Produkte anzubieten. Dieser Schritt wurde oft gut gemeistert, trotzdem brauchen einige Unterstützung bei der Retourenabwicklung, denn z.B. gerade im Textilbereich liegt die Retourenquote oft bei 50% und darüber. Wir haben aber auch den Eindruck, dass Corona ein leichtes “Umdenken” angestoßen hat, was das Konsumverhalten allgemein betrifft. Die Massen an überschüssigen Textilien gingen durch die Presse und überall hört man von Nachhaltigkeit. Das ist prinzipiell gut, aber nun liegt es an uns, auch Retouren endlich zum Thema und zu einem Teil der Nachhaltigkeitsdiskussion zu machen. Denn so praktisch und zukunftsorientiert der Onlinehandel ist (wir sind durchaus Fans!), er kann noch nachhaltiger gestaltet werden.
Retouren werden uns weiterhin begleiten. Wenn wir unsere Wirtschaft umgestalten wollen, dann gehören Retouren unbedingt zum Konzept des Kreislaufs. Diese Notwendigkeit begründet sich nach Corona, in einer noch rasanteren Entwicklung, die uns vor klare Herausforderungen setzt. Wir sehen die Bereitschaft und den Willen für Lösungen und Konzepte eindeutig. Die Resonanz ist toll und viele Kunden sehnen sich nach mehr Transparenz der Unternehmen.

Welche Partner*innen konntet ihr bereits von eurer Idee überzeugen?

Wir haben bereits einige regionale Partner*Innen aus Oldenburg, darunter Hersteller von Betriebsbedarf (Onken Betriebsbedarf) oder Büromöbel (Best-Dealz-24). Außerdem Händler von plastikfreien Produkten (Laguna) oder nachhaltigen Leuchtmitteln (smart & green Leuchten). Eine Liste aller Partner ist auf unserer Website zu finden. Die allermeisten der Unternehmen mit denen wir sprechen, haben bereits längst vorbildliche Retourenprozesse etabliert, haben diese aber nie an die Kunden kommuniziert und wollen unser Siegel nun nutzen um die Transparenz zu stärken. Des weiteren haben wir Interessenten aus der Textilbranche, die ihre Retourenquoten senken wollen, um Kosten zu sparen, sowie aus anderen Bereichen, wo auch Prozesse für Ersatzteile eine Rolle spielen (Fahrräder, Möbel, Werkzeug). Wir sind aktuell fleißig dabei, weitere Händler*Innen für unsere Mission zu gewinnen und ihnen als Retourenexperten zur Seite zu stehen.

Was ist euer langfristiges Ziel und welche Pläne schmiedet ihr für die nahe Zukunft?

Zukünftig wollen wir an erster Stelle dafür sorgen Retouren zu vermeiden, Ressourcen zu schonen und verantwortungsvolles Retourenhandling als zentralen Teil einer kreisförmigen Wirtschaft zu etablieren und zu standardisieren. Dies gelingt durch praktische Tipps und Anreize zu bewussterem Kaufverhalten, um den Produktwert wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Hierfür nutzen wir unsere Internetseite und Social Media. In naher Zukunft werden wir als Verein auch Lokal agieren mit ganz konkreten Projekten wie Retourenflohmärkten oder Projekten an Schulen. Für unsere Partner wird es ein Netzwerk geben um sich über effektive Retourenprozesse auszutauschen, sowie Veranstaltungen. Händler werden zukünftig die Möglichkeit haben, ihre Retourenprozesse durch uns zusätzlich Zertifizieren zu lassen und ihre Retourenquoten und Kosten in unserem Portal zu berechnen.
 Außerdem wollen wir das Thema weiter in den öffentlichen Diskurs rücken, Transparenz schaffen und uns auch auf politischer Ebene engagieren. Wir tauschen uns bereits mit dem Bundesumweltministerium aus. Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist im Oktober 2020 in Kraft getreten und verpflichtet Händler zu einem nachweislich verantwortungsvollen Umgang mit Produkten. Händler können sich bei uns siegeln lassen bevor die Verordnungen dazu verabschiedet werden, so können sie sich gut vorbereiten.

Vielen Dank für das Interview, Yanna! 

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an den Retourenregister e.V. stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare – wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Bilder: Retourenregister e.V.

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