Paul Wolter, Teamleiter Politik und Kommunikation

Bundesverband Deutsche Startups e.V., die Stimme der Startups in Deutschland

INTERVIEW | Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. vertritt die Interessen, Standpunkte und Belange von Startup-Unternehmen gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Öffentlichkeit. Als Netzwerk von Startups für Startups verbindet der Verband zudem Gründer, Startups und deren Freunde in verschiedenen Fach- und Regionalgruppen miteinander.

Herr Wolter, bitte stellen Sie den Bundesverband Deutsche Startups einmal für all diejenigen vor, die den Verband noch nicht kennen. Zu welchem Zweck wurde der Verband gegründet und welche Ziele verfolgen Sie heute?

Paul Wolter: Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. wurde im September 2012 in Berlin gegründet. Der Verein ist der Repräsentant und die Stimme der Startups in Deutschland und vertritt die Interessen, Standpunkte und Belange von Startup-Unternehmen gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Öffentlichkeit. Wir werben für innovatives Unternehmertum, ein gründerfreundliches Deutschland und tragen die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk von Startups für Startups verbinden wir außerdem Gründer, Startups und deren Freunde in verschiedenen Fach- und Regionalgruppen miteinander und stellen Kontakte durch Reisen, beispielsweise ins Silicon Valley oder nach Tel Aviv, und Veranstaltungen, wie das Startup Camp her.

Was haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Wir können von uns behaupten erfolgreich Agenda-Setting betrieben zu haben. Wir haben politische Debatten über Themen ausgelöst, über die vorher nur innerhalb des Startup-Ökosystems gesprochen wurde. Teilweise haben diese Debatten, gepaart mit aktiver Interessenvertretung und Gesprächen zwischen unserem Verband und der Politik sowie Verwaltung, zu handfester Politik geführt. Ein paar Beispiele: Seit unserer Gründung im Jahr 2012 hatten wir die Forderung nach einem eigenen Börsensegment für Startups im Programm. Schnell wurde ein Round Table mit dem damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit unserer Teilnahme zum Thema einberufen.

Das Ergebnis: Seit März 2017 gibt es mit „Scale“ an der Deutschen Börse endlich ein Börsensegment für wachstumsorientierte Jungunternehmen. Startups können außerdem endlich wie jedes andere Unternehmen in Deutschland die Verlustverrechnung anwenden. Vorher konnte man Verluste der Vorjahre nur dann mit Gewinnen aus aktuellen Jahren verrechnen, wenn sich der Gesellschafterkreis eines Unternehmens in der Zwischenzeit nicht geändert hat. Bei Startups ändert sich dieser aufgrund von Finanzierungsrunden jedoch ständig. Wir haben diese Ungleichbehandlung von Startups gegenüber anderen Unternehmen immer wieder den zuständigen Fachpolitikern und höheren Verwaltungsangestellten geschildert. Bis bei diesen die Erkenntnis gereift ist, dass hier gehandelt werden muss.

Wie können Startups von Ihrem Verband profitieren?

Wir als Startup-Verband verstehen uns als die Stimme der Startups in Deutschland. Mit allem was wir tun verfolgen wir den Anspruch jungen Unternehmen den Rücken frei zu halten und mit vereinter Stimme ihre Interessen und Belange in die Politik und die Gesellschaft zu tragen. Darüber hinaus bieten mit unseren verschiedenen branchen-, berufs- und interessenspezifischen Plattformen und Netzwerken unseren Mitgliedern an, belastbare persönliche Netzwerke aufzubauen. Entweder zu anderen Gründern aus der Region oder der Branche oder zu Business Angels und Investoren. Auf unseren Events und MeetUps bahnen sich regelmäßig Finanzierungrunden an und Geschäftskontakte werden geknüpft. Außerdem kann sich jedes Startup aktiv am Lobbying beteiligen. Letztlich ist der Startup-Verband das, was unsere Mitglieder daraus machen. Wir haben viele Möglichkeiten der Beteiligung und die über 100 Ehrenamtlichen zeigen, dass diese Beteiligung für jeden Einzelnen Sinn macht.

Welches Bild haben Sie von der deutschen Gründerszene? Welche Veränderungen konnten Sie in den letzten Jahren feststellen?

Das Startup-Ökosystem in Deutschland gedeiht und ist erwachsen geworden. Die Netzwerke wurden gefestigt, relevante Akteure sind seit ein paar Jahren am Markt, es kommen jeden Monat neue hinzu und der VC-Markt (Venture Capital-Markt) entwickelt sich positiv. Die Richtung stimmt. Bei genauerer Betrachtung kann man jedoch noch lange nicht zufrieden sein, vor allem im Hinblick auf die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die deutschen Startups gegründet werden und wachsen sollen.

Werden Startups in Deutschland Ihrer Meinung nach aktuell von der Politik ausreichend gefördert und unterstützt?

In der letzten Legislatur wurden Fortschritte gemacht, insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium hat Förderprogramme erweitert und neu aufgestellt. Auch das Bundesfinanzministerium hat mit dem Growth Tech Fund einen großen Förder-Fonds aufgelegt. Auch hier stimmt die Richtung. Denkt man jedoch an die Ausgestaltung der Digitalisierung und die Versorgung mit schnellem Internet, die digitale Bildung und die Förderung von deutschen Wagniskapitalfonds, dann sehen wir noch erhebliche Lücken. Gerade in diesen Bereichen muss noch einiges getan werden, um das volle Potenzial der deutschen Startup-Wirtschaft auszuschöpfen.

Versprechen Sie sich diesbezüglich Änderungen durch die neue Bundesregierung? Wenn ja, welche?

Im Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition finden sich viele gute Punkte. Besonders freut uns natürlich, dass im Bereich Digitales klare Verantwortlichkeiten geschaffen wurden: Dr. Helge Braun als Chef des Bundeskanzleramtes und Dorothee Bär als Staatsministerin für Digitales sind jene Personen in der neuen Bundesregierung, die dafür Sorge tragen müssen, dass der Koalitionsvertrag im Bereich Digitales nun auch umgesetzt wird. Bei der digitalen Agenda blicken wir also zuversichtlich auf die neue Legislaturperiode. Dennoch ist die Gefahr groß, dass die neue alte Große Koalition mit demselben Tempo und denselben Gestaltungswillen zu Werke geht wie in der letzten Legislaturperiode.

Welche Bedeutung messen Sie der grünen Wirtschaft bei?

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind die zentralen Themen unserer Zeit. In den letzten Jahren sehen wir daher eine zunehmende Dynamik bei der Gründung von Unternehmen aus dem grünen Sektor: In Deutschland liegt der Anteil an Gründungen aus der “Green Economy” bereits bei über 15% und besitzt damit einen signifikanten Anteil innerhalb der Gründerszene. Startups haben gezeigt, dass sie in vielen Brachen die ökonomische, technologische und gesellschaftliche Entwicklung nicht nur vorantreiben können, sondern durch ihre Innovationen und schlanken Geschäftsprozesse nachhaltig verändern. Nachhaltige Konzepte wie E-mobility und Modelle zum schonenden Umgang mit Ressourcen sprießen im Startup-Ökosystem und können sich hier besonders gut entfalten.

Welche Branchen und Themen werden in den nächsten Jahren die Startup-Branche dominieren?

Um Einschätzungen über die Zukunft zu geben, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Wenn man sich die Entwicklung des Startup-Ökosystems in den vergangenen 15 Jahren anschaut, dann entwickelt es sich in Wellen und Trends. In der ersten Entwicklungsphase war beispielsweise die E-Commerce-Branche eine tragende Säule des Ökosystems, mittlerweile werden nur noch sehr wenige E-Commerce-Startups gegründet. Dann wurden vor ein paar Jahren vermehrt FinTechs gegründet, die die Banken herausfordern und den Markt grundlegend verändert haben. Momentan geht der Trend zu Startups, deren Geschäftsmodelle auf Künstlicher Intelligenz und machine learning basieren. Startups sind immer die ersten Anbieter technologischer Innovationen, daher sind die Trends, in denen sich das Startup-Ökosystem weiterentwickelt, unmittelbar an technologische Sprünge gekoppelt. Weil die Technologie im Bereich der Künstlichen Intelligenz gerade eine dynamische Entwicklung nimmt, drängen hier gerade viele Startups auf den Markt.

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